Gestern am 19.05.2020 fand die Kundgebung „Lager evakuieren – in Moria genauso wie in Köln -Corona Schutz für alle“ am Neptunplatz statt.

Zusammen mit Solidarity City Cologne, dem Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen, Seebrücke Köln, der Interventionistischen Linken und Rainbow Refugees Cologne – Support Group haben wir diese Kundgebung veranstaltet, um auf die Missstände in Unterkünften für Geflüchtete aufmerksam zu machen und fordern: Solidarität mit den Geflüchteten – Lager evakuieren!

Das Leben in der Notunterkunft der Herkulesstraße ist menschenunwürdig, die Verpflegungs- und Wohnsituation unzumutbar und die Versorgung und Sicherheit der dort lebenden Menschen kann nicht gewährleistet werden. Unsere Kollegin Soraya Geara macht in ihrem Redebeitrag deutlich, dass „noch größerer Handlungsbedarf besteht“, da Bewohner*innen einer akuten Infektionsgefahr ausgesetzt sind.

Hier der Redebeitrag zum Nachlesen:

„Ich bin Soraya Geara von agisra, Beratungsstelle für Migrantinnen* und geflüchtete Frauen* in Köln. Wir unterstützen einige Frauen* aus der Herkulesstr, die heute nicht hier sein können, weil sie Säuglinge und Kleinkinder versorgen müssen oder krank sind.

Wir haben kein Verständnis dafür, wenn das Wohnungsamt und der Sozialdezernent die Zustände in dieser Sammelunterkunft schön redet und den Bewohner*innen das Recht streitig macht, ihre sofortige Verlegung in menschenwürdige Unterkünfte zu fordern. Die Frauen sind mit ihren kleinen Kindern und Neugeborenen gezwungen Gemeinschafts­waschräume und Toiletten zu benutzen. Aber mindestens ein Drittel der Duschen sind defekt und gesperrt, sodass sie erst von Stockwerk zu Stockwerk laufen müssen. Und es gibt an den Waschbecken nur kaltes Wasser. Das alles hat die Stadt selbst eingeräumt, aber zynisch bemerkt, es reiche laut WHO für den Infektionsschutz.

Und wir hören die schönen Geschichten über Gruppenbildungen mit bunten Bändchen und Aufteilung der Essenszeiten. Wie sollen in einem Gebäude mit 300 Menschen – oder laut Stadt Köln heute „nur“ noch 200 – und einem verwahrlosten Außengelände all die Kinder und Erwachsenen, für die es nichts zu tun gibt, die nichts zum Spielen haben, geschweige denn beschult oder auch nur betreut werden, kontaktfrei leben?

Ratsuchende Frauen* berichten uns, dass sie den Speiseraum nicht mehr aufsuchen, aus Angst vor Ansteckung. Nicht einmal mit Neugeborenen dürfen sie das Essen mit aufs Zimmer nehmen und so versuchen sie dann, sich mit dem Taschengeld (ca. 50 € wöchentlich für eine Person mit Kind) zu verpflegen. Aber wie soll eine Frau* an andere Nahrungsmittel bekommen, wenn sie das Gelände nicht verlassen darf?

Die Stadt Köln sagt es gäbe einen Einkaufsdienst für Medikamente und Tabak – aber der Sozialdienst der Einrichtung weiß nichts davon, und auch die von uns unterstützen Fraruen* berichten dass sie nur das Essen der Mensa zur Verfügung haben. Es gibt von 16 bis 8 Uhr kein heißes Wasser zur Zubereitung von Babynahrung, und auch das Milchpulver für Neugeborene ist rationiert auf eine Packung pro Woche. Von mindestens zwei Frauen* wissen wir, dass sie nach kurzer Zeit nicht mehr stillen konnten, weil sie durch die Anspannung keine Milch mehr hatten.

Das Leben in der Notunterkunft Herkulesstr. ist immer eine Zumutung, da es keine Privatsphäre und Ruhe und kaum Selbstbestimmung für die Menschen dort gibt. Derzeit besteht aufgrund von Corona zusätzlich akute Infektionsgefahr und dadurch noch größerer Handlungsbedarf!

Nein, wir vergleichen die Herkulesstraße nicht mit dem Albtraum des Lagers in Moria –  aber wir lassen das Recht unserer Klientinnen auf eine menschenwürdige Behandlung und ein gewaltfreies Leben, auf den Schutz ihrer Kinder und auf eine Lebenssituation, in der sie sich vor Ansteckungen schützen können, nicht mit dem unverschämten Argument: „Anderswo ist es doch noch viel schlimmer“ vom Tisch wischen.

Deshalb fordern wir: Lager evakuieren! In Moria genauso wie in Köln!

Danke.“