von der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V. und dem Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
in Deutschland kommt es jeden Tag zur versuchten Tötung einer Frau durch Männer in ihrem engen sozialen Umfeld – meist den Partner oder Ex-Partner. Jeden 2.-3. Tag stirbt eine Frau durch diese Gewalt. Als Frauenorganisationen und Verbände wissen wir, wie schwierig eine Trennung und Scheidung für die betroffenen Frauen tatsächlich ist. Soziale, finanzielle und emotionale Abhängigkeiten stehen im Konflikt mit einem Entschluss für ein gewaltfreies Leben. Viele Frauen leben jahrelang mit der Gewalt, teilweise mit einem persönlichen Sicherheitsplan für Situationen, in denen die Konflikte unerträglich und lebensgefährlich werden.

 

In Fortbildungen zu Gewalt in engen sozialen Beziehungen klären PolizistInnen, die in diesem Bereich spezialisiert arbeiten, über die traurige Wahrheit auf: „Der, statistisch gesehen, gefährlichste Mensch ist der männliche Partner“. Die Realität in den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden ist jedoch eine andere: Anzeigen werden nicht ernst genommen und nicht verfolgt, Verfahren werden eingestellt, und Partnerschaftsgewalt wird in den meisten Fällen nicht nachgewiesen.

 

Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Frauenberatungsstellen wissen wir, dass die Tötung der Ehefrau im eigenen Haushalt mit einer illegal erworbenen Waffe kein Versehen ist. Wir wenden uns besonders im Zusammenhang mit der Erschießung der 27-jährigen Besma Akinci in Einbeck/Niedersachsen durch ihren Ehemann an Sie. Am Mittwoch, den 15. April 2020 ruft der Ehemann C. A. die Feuerwehr und erklärt, er habe seine Frau aus Versehen erschossen. Da der Täter unter massivem Alkoholeinfluss stände, wurde die Haftfähigkeit durch einen Arzt verneint und er in ein Krankenhaus gebracht. Da er keine Vorbestrafungen habe, ist er kurz danach auf freien Fuß gesetzt worden.

 

Seit der Ermordung von Besma Akinci wenden sich viele Frauen aus der Region sowie Bekannte des Opfers an Frauenberatungsstellen und teilen ihre schweren Ängste mit. Sie kritisieren, dass die Annäherung der Strafverfolgungsbehörden, diese Tat als eine „Tötung aus Versehen“ zu behandeln, untragbar ist. Durch diese Verharmlosung befürchten sie, dass die Tat von C. A. für andere Männer Vorbild sein könnte, auch selbst eine derartige Straftat zu begehen. Wir fordern in expliziter Berücksichtigung der Signalwirkung für alle Frauen und Männer in diesem Land eine lückenlose Aufklärung des Femizides an Besma A. .

 

Als Familien von in Deutschland ermordeten Frauen wenden wir uns in großer Erschütterung an Sie und fordern Sie auf, in der Strafverfolgung gegen den Mörder von Besma A. genaustens die Geschichte häuslicher Gewalt offen zu legen, die auch bei unseren Angehörigen der lange Weg bis hin zur Tötung war. Ein Frauenmord ist kein Einzelfall und kein Versehen!

 

Als RechtsanwältInnen, die im Bereich der häuslichen Gewalt tätig sind, werden wir den Fall Besma A. aktiv verfolgen und in die Öffentlichkeit bringen.

 

Als Frauenverbände, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen werden wir alles tun, damit keine Frau fürchten muss, dass der Mord in Einbeck zum Beispiel für eine geringe Strafverfolgung bei häuslicher Gewalt wird.

 

Als PolitikerInnen schließen wir uns den Forderungen an, die Strafverfolgung im Bereich der häuslichen Gewalt zu verschärfen, und setzen uns für eine sofortige Umsetzung der Istanbul Konvention ein.

 

Als JournalistInnen werden wir den Fall Besma A. sowie Gewalt in engen sozialen Beziehungen und Frauenmorde im Allgemeinen zum Thema der Berichterstattung machen!

 

Wir schließen uns folgenden Forderungen an:
  • Wir fordern Sie auf, Frauen immer ernst zu nehmen, wenn sie Anzeige erstatten.
  • Wir fordern Sie auf, Frauen den bestmöglichen Schutz vor Gewalt zu bieten.
  • Wir fordern Sie auf, gefährliche Täter rasch strafrechtlich zu verfolgen und zur Verantwortung 
zu ziehen!
  • Wir fordern Sie auf, alles zu tun, um die Einstellung von Strafverfahren zu reduzieren, und 
lückenlos zu ermitteln!
  • Wir fordern Sie auf, klare Richtlinien und Gefährlichkeitseinschätzungen für U-Haftanträge zu 
erstellen!
  • Wie fordern Sie auf, verpflichtende Schulungen auch für JuristInnen, AnwältInnen, 
StaatsanwältInnen und RichterInnen einzuführen, für mehr Sensibilisierung und für ein besseres Verständnis von Traumatisierung, geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen, Täterstrategien und Manipulation von Gewalttätern!
  • Wir fordern Sie auf, endlich das Budget für den Gewalt- und Opferschutz substanziell zu erhöhen!
  • Wir fordern Sie auf, die Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen finanziell und langfristig abzusichern!
  • Wir fordern die Benennung von Feminizid in Medien und Politik – geschlechsspezifische Gewalt muss sichtbar gemacht werden!
  • Wir fordern eine Reform des Tötungsstrafrechts und die Einführung von Femizid als ein strafverschärfendes Merkmal im Strafgesetz!
  • Wir fordern eine aussagekräftige statistische Erfassung von Feminizid!
  • Wir fordern die sofortige Umsetzung der Istanbul Konvention! 
Wir wollen endlich Taten sehen! Keine Frau darf im Stich gelassen werden! Keine Frau darf mehr ermordet werden! 
Initiatorinnen: 
Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. und Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V.

 

 

Link zur Seite von UTAMARA e.V.  (hier gibt des in Brief auch in Türkisch und Kurmancî)

 

Pressekontakt:
Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V.
In der Stehle 26
53547 Kasbach-Ohlenberg
E-Mail: feminizid@utamara.org
Telefon: 02644-602424

 

Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V.
Ulenburger Buchenallee 16
32584 Löhne
E-Mail: ezidischer-frauenrat@web.de
Telefon: 0163-1162269