Liebe Deutsche Bahn,
Wir von agisra – eine autonome feministische Beratungsstelle für Migrantinnen* und geflüchtete Frauen* in Köln – suchen seit über 9 Monaten nach neuen Räumlichkeiten. Die Mietpreise sind so hoch, der Immobilienmarkt in Köln so überhitzt, dass wir dem Auszugstermin in 60 Tagen ohne aussichtsreiche Perspektive entgegenblicken. 700 ratsuchende Frauen* als auch 16 Mitarbeiterinnen*, die über 3000 Beratungsgespräche zum Thema Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, Frauenhandel, häusliche Gewalt und andere Formen von patriarchaler Gewalt geführt haben, stehen vor dem Ungewissen.
Wir sind aber bei Weitem nicht die einzige soziale Institution, die von der prekären Mietsituation in Köln betroffen ist. Assata im Hof und die Frauen der 1006 sind weitere Initiativen für Frauen und queere Menschen, die für einen Raum – eine Daseinsberechtigung – in der Stadt Köln kämpfen.
Als am 19.07.19 Ihr Privatbesitz in der Vogelsanger Str. 230 von verschiedenen Gruppierungen, Einzelpersonen und Initiativen besetzt wurde, stand das Gebäude zu diesem Zeitpunkt seit 10 Jahren leer. Ein Haus, was sich mitten in Ehrenfeld befindet, ein Haus, was groß genug ist, um Beratungsstellen wie unsere, oder Frauen der 1006 unterzubringen. Die Besetzerinnen* wollen ein queerfeministisches Zentrum errichten, ein Projekt was es so bisher in Köln noch nicht gibt. Hier sollen Frauen*, die von Obdachlosigkeit, Gewalt und Rassismus betroffen sind einen Ort finden, bei dem sie Unterstützung, Stärkung und Solidarität erhalten.
Das erste Leitbild der Deutschen Bahnstiftung ist „Wir leben Solidarität mit Menschen am Rande der Gesellschaft“. Sie stehen für Diversität, so suggeriert es die letzte öffentlich wirksame Kampagne. Sie schreiben, dass Sie „genauso bunt wie die Gesellschaft“ sind, Sie betonen, dass „unterschiedliche Sichtweisen zum unternehmerischen Erfolg“ beitragen.
Wir wünschen uns, dass diese unterschiedlichen Sichtweisen gehört werden und Raum bekommen. Wir möchten, dass Dialoge entstehen, ohne polizeiliche Gewalt. Wir möchten, dass das Vorhaben nach einem Haus für Frauen und queere Personen auf Unterstützung stößt, denn nur so entsteht aus einer bunten Gesellschaft eine solidarisch bunte Gesellschaft.
Wir fordern, dass die Räumung der Vogelsanger Str. 230 nicht bedeutet, dass es keine Verhandlungen mehr gibt. Wir fordern, dass unser Anliegen gehört wird – weil es keine Lösung ist, dass dieses Haus für weitere 10 Jahre leer steht.
Wir zeigen uns solidarisch mit den Besetzer*innen der Elster und unterstützen ihre Forderungen.
agisra e.V.
Hier der offene Brief als PDF.