Sehr geehrter Herr Minister Laumann, sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp,

in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Köln-Bayenthal herrschen unhaltbare Zustände, die das Leben der Geflüchteten in Gefahr bringen und sie in menschenunwürdiger Weise der Bedrohung durch das Corona-Virus aussetzen.
Immer wieder schildern uns ratsuchende Frauen*, dass sie zum Teil schon seit Monaten in einer Containerunterkunft ausharren, die eigentlich nur für einen kurzen Aufenthalt vorgesehen ist. In dieser Unterkunft leben etwa 480 Menschen in unerträglicher Enge und Nähe zueinander.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Entlassung aus den Aufnahmeeinrichtungen des Landes vorgesehen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge erforderlich ist (§ 49 Abs. 2 AsylG). Was uns gerade die Frauen* schildern, widerspricht einem verantwortungsvollem Gesundheitsschutz vollständig:

Verpflegungssituation

Die Mahlzeiten müssen von allen in einem einzigen Raum eingenommen werden, wobei für jede Mahlzeit ein Zeitfenster von 1,5 – 2 Stunden zur Verfügung steht. Die Tische stehen dicht beieinander und es wird selbst hochschwangeren Frauen oder Familien mit kleinen Kindern nicht gestattet, das Essen mit auf das Zimmer zu nehmen. Die Frauen erzählen uns, dass sie aus Angst vor Ansteckung die Mensa nicht mehr aufsuchen, sondern versuchen, von dem wenigen Taschengeld (105 € für eine vierköpfige Familie pro Woche) für sich und die Kinder Nahrungsmittel zu kaufen, die sie dann – natürlich ohne Kochmöglichkeit – auf den Zimmern einnehmen.

Wohnsituation

In der Familienabteilung bewohnt jede Familie – auch fünf Personen oder mehr – ein Container-Segment von 12 qm, Alleinstehende teilen sich ein solches Segment zu vier Personen. Es fehlt an den notwendigen Gegenständen für Neugeborene, selbst die Zubereitung von Warmwasser ist verboten. 10 Familien – also 40 bis 50 Personen – teilen sich 4 Toiletten und 4 Duschen. Die sanitären Anlagen sind unzumutbare Infektionsorte; sie werden zwar einmal täglich oberflächlich gereinigt, nicht aber Flächen und Griffe desinfiziert. Desinfektionsspender gibt es, aber sie sind leer. Masken stehen nur für das Personal zur Verfügung, nicht für die Bewohner*innen. Die Spielangebote für Kinder sind eingestellt, schulische Angebote gab es noch nie, die Außenanlage ist viel zu klein und bietet den Kindern keine Bewegungsmöglichkeit. Die ratsuchenden Frauen* und alle Menschen in der Einrichtung haben Angst vor Ansteckung, aber sie haben keine Möglichkeit Abstand zu halten und sich zu schützen.

Untragbare Quarantänemaßnahmen

Wir wissen aus anderen Landeseinrichtungen, u.a. Bielefeld und Königswinter, was das im Fall einer Quarantäne bedeutet: Die Menschen dürfen ihre Zimmer nicht mehr verlassen, sie bekommen das Essen gebracht, aber keine Getränke, nicht mal Teebeutel. Sie können sich nichts mehr selbst kaufen, keine ergänzenden Nahrungsmittel für die Kinder, zusätzliche Seife etc. Was aber das Schlimmste ist, sie können keine Handy-Karten kaufen und sind dadurch völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Einrichtungen bieten nur eine medizinische Mindestversorgung, externe Ärzte können nicht mehr aufgesucht werden und auch keine Beratungsstellen, keine Unterstützer*innen, die die Herkunftssprache sprechen. Die Stimmung ist jetzt schon aufgeladen, voller Konflikte und Aggressionen.

Wie soll im Fall einer Quarantäne noch Schutz vor häuslicher Gewalt erreicht werden? Wie das Kindeswohl geschützt werden? Die Gesundheitsvorsorge und die Sicherheit der dort lebenden Menschen kann nicht gewährleistet werden, darum fordern wir:

Eine dezentrale Unterbringung und mehr Solidarität mit der Situation der Geflüchteten, ehe es zu spät ist!

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte gerne an Adrijane Mehmetaj-Bassfeld (mehmetaj-bassfeld@agisra.org) oder an die Rechtsberaterin Prof. Dr. Dorothee Frings (dorothee.frings@hs-niederrhein.de).

Mit freundlichen Grüßen

Adrijane Mehmetaj-Bassfeld

Hinweis: Die Zahlen haben wir dem aktuellen Stand vom 30.04.2020 angepasst.

Hier der offene Brief als PDF.