Grenzenlos und unveschämt

Ich werde trotzdem
afrikanisch
sein
auch wenn ihr
mich gerne
deutsch
haben wollt
und werde trotzdem
deutsch sein
auch wenn euch
meine schwärze
nicht paßt
ich werde
noch einen schritt weitergehen
bis an den äußersten rand
wo meine schwestern sind
wo meine brüder stehen
wo unsere
FREIHEIT
Beginnt
[Auszug May Ayim 1990]
Eine Quelle der Kraft und Inspiration für die Afro-Deutsche, die Schwarze Deutsche feministische Bewegung.

Liebe Menschen,
wir sind heute hier, um unsere Solidarität mit allen Schwarzen Menschen, die jede Form von Gewalt erleben und erlebt haben, zu zeigen.
Mein Name ist Pamela Akua Aryeh und bin Mitarbeiterin* der autonomen Migrantinnen*organisation agisra.
agisra e.V. ist seit 1993 eine Informations- und Beratungsstelle, die die Menschenrechte und die Interessen von Migrantinnen* und geflüchteten Frauen* vertritt und sich gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus einsetzt. Wir beraten und unterstützen* Schwarze Frauen* und Frauen * of Color in schwierigen Lebenslagen, unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Alter, Sprachkenntnissen und Aufenthaltsstatus.
Viele der Frauen*, die Unterstützung bei agisra suchen, befinden sich in akuten Gewaltsituationen. Weltweit sind über 70 Millionen Menschen auf der Flucht, von denen 70 bis 75% Frauen* und Kinder sind.
Auch die weltweite Covid-19-Pandemie schürt Menschen nicht davor zurück, um weiterhin um ihr Leben zu kämpfen. Rassismus und Sexismus, Flucht und Vertreibung macht auch hier keinen Halt. Und schränkt die Freiheit dieser Menschen ein.
noch einen schritt weitergehen
bis an den äußersten rand
wo meine schwestern sind
wo meine brüder stehen
wo
unsere
FREIHEIT
Beginnt

Also was bedeutet Freiheit insbesondere für Schwarze Frauen* in Deutschland?
Freiheit – Eine Forderung, die leider auch noch heutzutage, nach fast 60 Jahren der „I have dream“- Rede von Martin Luther King jr. Immer noch weltweit für Schwarze relevant ist. Auch in unserer Frauen*beratungsstelle sind die Konsequenzen von kolonialen Kontinuitäten und Anti-Schwarzem Rassismus spürbar. Strukturelle und institutionelle, physischer und psychischer Gewalt, alltäglicher Rassismus und Diskriminierung bei Ämtern, Behörden, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Schwarze und of Color Frauen* stehen tagtäglich mit ihrem restlich verblieben Hab und Gut, einem Koffer und deren Kindern vor unserer Beratung. Frauen* mit Kindern, Alleinreisende oder auch Schwangere. Unzählige lebensbedrohliche Ursachen zwingen Menschen zur Flucht mit der Hoffnung auf Schutz. Angekommen in Deutschland werden diese weiterhin mit menschenunwürdigen Bedingungen konfrontiert und vom Staat nicht angemessen geschützt. Nach wie vor erweist er sich als sehr schwierig z.B. im Asylverfahren die Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe zu erwirken. Darüber hinaus erleben wir, wie erlebte sexualisierte Gewalt rassistisch instrumentalisiert wird und Diskriminierungen im öffentlichen Raum und bei Behörden zunehmen.

Auch immer wiederkehrende Aussagen von Politiker*innen, aber auch von Polizist*innen – die z.B. eigentlich bei einer Vernehmung von sexualisierter Gewalt für den Schutz der Frauen* Sorgen sollten- ohne Umschweife und ohne Scham benennen, dass diese dem deutschen Staat auf den Taschen liegen und eine Rückkehr das Beste wäre – ist purer offensichtlicher Rassismus, dem wir uns entgegenstellen und für die Rechte dieser Frauen* einstehen und hier transparent machen.
Die Bundesregierung sorgt sich um die Geburtenrate. Kinderzuwachs ja, aber bitte nicht bei Schwarzen Familien. Neben gesetzlichen Restriktionen, Sprüche und Erlebnisse die wir nur zu gut kennen.
Ich bin es leid, es macht mich sprachlos, traurig und wütend zu gleich, dies immer und immer wieder zu lesen und zu hören und trotzdem ist es wichtig von Rassismus zu sprechen und nicht von Fremdenfeindlichkeit.
Es geht um die Vergangenheit, die Gegenwart und um die Zukunft Schwarzer Menschen, weltweit und demzufolge auch hier in Deutschland. Schwarze Menschen die auch hier geboren sind und über Generationen hinweg hier leben.
Sexismus und Rassismus ist kein Problem Schwarzer Frauen*, sondern ein Problem patriarchaler weißer Gesellschaftsstrukturen.

Solange Deutschland strukturellen Rassismus und Sexismus kontinuierlich verharmlost, legitimiert, und reproduziert, gibt es einen Bruch in der Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit. Demokratie, aber für wen? Eine Scheinheiligkeit zwischen den Werten, die sie propagieren und die, die sie letztendlich vertreten.
Was bedeutet Freiheit als ein Menschenrecht für alle – wenn wir am Ende nicht über unser eigenes Leben entscheiden dürfen…und immer wieder treffen sich die Weltmächtige um über das Schicksal der Schwarzen Menschen auf dieser Erde zu entscheiden.
Was bedeutet die Menschenrechts- und UN-Kinderrechtskonvention, wenn diese nicht auch für Schwarze Menschen gelten?!
Fortführende koloniale Strukturen sind sichtbar und ich bin mir sicher, dass jede*r hier auf dem Platz mindestens eine davon benennen kann. Somit zeigt sich, dass Rassismus auch hier in Deutschland real ist.

Empowerment bedeutet für mich: Dem Schweigen ein Ende zu setzen und Schwarze Geschichtsschreibung und Widerstandskämpfe sichtbarzumachen und anzuerkennen. Unsere Rechte zu kennen, um zu handeln und füreinander einzustehen…Es sind unsere Rechte und wir müssen nicht darum betteln, dass diese umgesetzt werden! Ich als Schwarze Frau* stehe hier für jene Frauen*, die hier nicht wie ich sprechen können.
Wir fordern:
-die gleichen Menschrechte für alle
-die Umbenennung der Kolonialen Straßennamen und die Denkmäler von Kolonialherr*innen zu ersetzen
-ausreichend Schutzräume für Schwarze Frauen* und Zugänge zu diesen zu erleichtern
-mehr intersektional ausgerichtete Teams in Beratungs- und Anlaufstellen, wo von Gewalt betroffene Frauen* nicht wieder Gefahr laufen in einem vermeintlichen Schutzraum Rassismuserfahrungen zu erleben
-mehr kassenärztlich zugelassene traumasensible, rassismuskritische Psycholog*innen und Therapeut*innen
-mehr finanzielle Förderung für empowerment Räume von und für Schwarze Frauen* und ihren Kindern
-sowie endlich die Auseinandersetzung mit Anti-Schwarzem Rassismus in Deutschland an Schulen
Und ganz nach Audre Lordes kraftvoller Aussage, welche nichts an Aktualität verloren hat:

„We are not free while any woman is unfree even when her shackles are very different from our own“
„Keine von uns ist wirklich frei, solange es noch eine Frau gibt, die noch nicht frei ist, auch wenn ihre Fesseln ganz andere sind als unsere eigenen.“

Vielen Dank!