Rede von Elahe Sadr bei der Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan in Köln am 13.06.2020

Für afghanische Geflüchtete wird die Situation im Iran immer gefährlicher. Strukturelle rassistische Ausbeutung und Entrechtung, systematischer Ausschluss von Kindern vom Schulbesuch, bis hin zu systematischen Zwangsrekrutationen auch von Kindern und Jugendlichen als Söldner unter Androhungen von Abschiebungen nach Afghanistan prägen ihren Alltag, und sie werden zunehmend zum Spielball iranischer Interessenspolitik.

Offiziellen Angaben zufolge leben etwa zwei Millionen Afghanen im Iran. Da die meisten von ihnen Geflüchtete sind, die keine Chance auf Zugang zu offiziell anerkannten und legalisierten Aufenthaltspapieren im Iran haben und aufgrund der Abschiebeandrohungen nach Afghanistan durch iranische Behörden illegalisiert und kriminalisiert werden, dürfte die Dunkelziffer jedoch weitaus höher liegen. Der Alltag dieser Menschen ist alles andere als einfach. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die iranische Regierung afghanische Flüchtlinge systematisch rassialisieren, als Arbeitskräfte ausbeuten und wenn sie nicht mehr gebraucht werden abschieben.

Viele von ihnen sind Jugendliche, die von ihren Familien weggezogen sind ins Nachbarland in der Hoffnung auf eine sichere und bessere Zukunft.
Die meisten von Ihnen arbeiten in den großen Städten des Landes auf Baustellen unter härtesten, teils lebensgefährlichen Bedingungen. Viele von ihnen sind Jugendliche, fast Kinder, die dreizehn bis vierzehn Jahre alt sind. Sie haben keine Sozialversicherung, bekommen einen Hungerlohn und leben in ärmlichen Baracken. Sobald diese Arbeiter nicht mehr gebraucht werden, werden sie einfach abgeschoben. In Großstädten wie Teheran werden täglich, neue Hochhäuser gebaut und das U-Bahnnetzwerk wird erweitert. Die meiste Arbeit wird von genau diesen Afghanen verrichtet.

Es wurde im Iran eine große Mauer an der iranisch-afghanischen Grenze gebaut, die bestens überwacht wird. Scharfschützen halten ihre Stellung und zeigen keinerlei Scheu, auf Afghanen zu schießen. Es wurde auch bekannt, dass die iranische Regierung afghanische Geflüchtete nach Syrien schickt, um dort auf Seiten Baschar al-Assads gegen die Aufständischen zu kämpfen. Da die meisten jungen Männer ohne jegliche Kampferfahrung nach Syrien geschickt werden, ist eine Rückkehr in vielen Fällen ausgeschlossen. Dadurch hat die permanente Ausbeutung der afghanischen Migrant*innen im Iran mittlerweile einen traurigen Höhepunkt erreicht.

Afghan*erinnen sind täglich von struktureller Entrechtung und Rassismus betroffen. Für jene, die keine Personalpapiere besaßen oder denen iranische Sicherheitskräfte sie abgenommen hatten, sei auch der Kauf eines Mobiltelefons oder eines Autos zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden, berichten Betroffene. Es wurde Migrant*innen verboten, Mietverträge zu unterschreiben oder ihre Stadt zu verlassen. Zudem wurde allen Ausländern – dies betrifft in erster Linie Afghanen – der Zugang zu 28 von insgesamt 31 Provinzen Irans teilweise oder vollständig untersagt, und auch für öffentliche Parks in großen Städten wie Isfahan wurden offizielle Zutrittsverbote eingeführt.

Auch im zivilrechtlichen Bereich sind Afghanen von enormen Rassialisierungen betroffen. Ehen zwischen Iraner*innen und Afghan*innen werden nicht anerkannt, und ihre Kinder erhalten entsprechend dem iranischen Gesetz keine iranische Staatsbürgerschaft. Deshalb bleibt auch der zweiten Generation der Zugang zur staatlichen Schule verwehrt. Laut Vertretern der afghanischen Flüchtlinge im Iran werden so schätzungsweise jährlich über 400 000 Kinder vom Unterricht ausgeschlossen.

Die rassistisch geprägten Lebensbedingungen von Afghanen beschränken sich jedoch nicht nur auf staatliche Institutionen, sondern wurden mittlerweile von vielen Iranern als Legitimation für Übergriffe gegen Afghan*innen übernommen. Hazara-Frauen, die anhand ihres Gesichts als Nicht-Iranisch gelesen werden und erkennbar sind, berichten von sexualisierten Belästigungen und Übergriffen auf der Straße. Medial werden männliche Afghanen in der Regel für die Zunahme der Kriminalität und die Verbreitung von Drogen inszeniert und verantwortlich gemacht.

Als Folge der schwierigen Lebensumstände und aus Angst vor einer Verhaftung und Abschiebehaft durch iranische Behörden sind allein 2019 rund 480000 Afghanen ohne Papiere aus dem Iran, unter Zwang nach Afghanistan vertrieben worden, viele nennen es eine „freiwillige Ausreise“.
Diejenigen, die unter diesen gewaltvollen rassistischen Lebensverhältnissen „freiwillig ausreisen“ und in ein instabiles Land gehen, wo sie systematischen Menschenrechtsverletzungen, Gewalt, Anschlägen und Perspektivlosigkeit schutzlos ausgeliefert werden, befinden sich in einer rassistischen Zwickmühle. In dieser rassistischen Zwangslage kann sich niemals eine sich an der Menschenwürde orientierte Freiwilligkeit entfalten, da die Würde erst staatlich garantiert und durch politische Anerkennung und existenziellen Menschenrechten geschützt werden muss.

So verstecken sich viele Afghanen vor iranischen Behörden aus Angst vor genau dieser Zwangslage und sind so auch seitens der Bevölkerung erheblichen Ausbeutungen ausgesetzt, da diese Ohnmachts-Situation strukturell und kontinuierlich missbraucht wird. Viele sind Übergriffen und Ausbeutungen ausgeliefert, da sie ohnehin keinerlei gesetzliche Beschwerdemöglichkeit hätten, da sie dann abgeschoben werden könnten. So machen sich derzeit viele Menschen auf den gefährlichen Fluchtweg nach Europa und nach Deutschland.

Aber auch in Europa und in Deutschland geht die systematische rassistische Entrechtung und Ausbeutung weiter und weiterhin wird afghanischen Geflüchteten systematisch die Asyl-Anerkennung verweigert. Eine Anerkennung in Deutschland ist mittlerweile sehr gering. Die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ist ein hoch sensibles Thema in Deutschland, das von rechtsextremen Politikern öffentlich gefordert wird, um Stimmung gegen Geflüchtete und Migrant*innen zu machen. Derzeit leben in Deutschland mehr als 24 300 afghanische Geflüchtete, die von deutschen Behörden systematisch zur Ausreise gezwungen werden, weil ihre Asylanträge systematisch abgelehnt wurden und werden.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Afghanistan in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100 000 Zivilisten getötet oder verletzt worden. Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 10 000. Das Abkommen zwischen den USA und den Taliban hat bisher nicht zu einem landesweiten Waffenstillstand geführt. Auch die Kriege der USA, Deutschlands und westlicher Staaten ab 2001 hat die Konflikte in Afghanistan nicht gelöst, sondern nur noch weiter verstärkt. Die Politik_erinnen möchten es verschleiern, dass diese Menschen vor Krieg, Folter, Verfolgung und kolonial-rassistisch politisch verursachter Armut und Hunger geflohen sind.

Die UN nennt Afghanistan eines der gefährlichsten Länder weltweit. Die radikal-islamistischen Taliban kontrollieren nach Militärangaben mehr als ein Siebtel des Landes. Die deutsche Bundesregierung ignoriert durch ihre Abschiebepraxis damit nicht nur die Lebensgefahr für abgeschobene Geflüchtete in Afghanistan, sie nimmt sie bewusst in Kauf. Eine deutsche Regierung, welche die Lebensgefahr für schutzsuchende Menschen durch Abschiebungen in Kauf nimmt, begeht systematisch rassistische Morde.

Sind diese die sogenannten europäischen Werte??? Nein, Menschenrechte heißt, gleiche Rechte für alle, unabhängig ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft; ihrer sexuellen Orientierung und Identität. Humanismus heißt Solidarität. Und sich für Menschenrechte einsetzen. Genau das, was wir heute tun. Wir leisten mit all unserer Kraft Widerstand und kämpfen alle gemeinsam für die Werte, die global sind und der ganzen Welt gehören!

Wir fordern:

  • Die rassistische Asyl-Lagerunterbringungspolitik in Deutschland, in der Geflüchtete zu Objekten degradiert werden sollen, muss abgeschafft werden
  • Sofortiger Stopp der Abschiebungen und Abschaffung der Abschiebepolitik
  • Bleiberecht für alle Geflüchtete
  • Keinerlei Geschäfte mehr mit dem diktatorischem Regime Iran
  • Kolonial_Rassistische deutsche exportorientierte Wirtschaft muss gestoppt und entmachtet werden, um Kriege und Ausbeutungen und Abhängigkeitsverhältnisse zu deutschen Konzernen und Politik abzuschaffen
  • Die sofortige Evakuierung aller Geflüchteten aus den Elendslagern an den griechisch-europäischen Inseln und Außengrenzen